Die kühle Klare im Norden lockte zu einer spritzigen Tagestour
Brr, ist das Wasser kalt! Schnell zieht Jens die Hände wieder aus dem Wasser. Dabei wollte er sich nur kurz vom Boden abstoßen, um mit seinem Kajak in die Strömung zu gleiten. Nicht umsonst gilt die Seeve als der kälteste Fluss Norddeutschlands. Auch im Sommer soll sie nie mehr als 6 – 8 Grad „warm“ sein.
Nun gut, zum Baden sind wir auch nicht gekommen, sondern um diesen flotten Heidefluss von Jesteburg bis an den Elbdeich zu paddeln. Und das hoffentlich ohne Ganzkörper-Wasserkontakt.
So ganz abwegig ist der Gedanke nämlich nicht, wartet doch in knapp zwei Kilometern ein kräftiger Schwall. Die Leihcanadier tragen hier regelmäßig um. Sabine, die als Erste fährt, taucht tief mit dem Bug ein. Ohne Spritzdecke hätten sie die Wassertemperatur natürlich viel besser testen können.
An dieser Stelle befand sich früher das berüchtigte Seevewehr. Rechts und links gemauerte Wände und dazwischen schoss das Wasser mit einer großen Stromzunge hinunter. Je nach Wasserstand bildete sich unterhalb eine mehr oder minder große Walze, die vielen Kanuten zu einem erfrischenden Bad, zumindest aber zu einer kräftigen Dusche verhalf.
Andreas übt noch etwas Traversieren im Auslauf geübt und schon gehts weiter. Wieder wartet eine Sohlgleite auf uns. Petra und Michael passieren sie zuerst und freuen sich über das spritzige Vergnügen.
Bei Ramelsloh zieht die Seeve unter einem Haus hindurch und endet mit einem kleinen Schwall. Früher war in dem Gebäude ein kleines Kraftwerk installiert und wir können nur die Rest des ehemaligen Stauwehres erahnen.
Teils überhängende Büsche und Bäume verlangen bei der Strömung nun die ganze Aufmerksamkeit unserer kleinen Gruppe.
In Horst ist vorerst Schluss mit der Paddelei. Das ehemalige Mühlenwehr versperrt uns Wasserwanderern den Weg. Ein Teil der Seeve wird rechts durch einen Rechen unter das Gebäude geführt und der übrige Fluss schießt links über eine mit Brettern ausgelegte Rampe mit Macht nach unten. Da sich auf der Schrägen Baumstämme und Äste verklemmt haben, ist an eine Befahrung überhaupt nicht zu denken. Also heißt es hier ca. 200 Meter zu umtragen.
Es wäre zwar Zeit für eine Mittagspause, doch der Platz neben dem Wehr erscheint uns nicht einladend genug. So beschließen wir, noch unter dem Horster Dreieck sowie die Autobahnkreuz Maschen hindurchzufahren. Unmittelbar vor dem Rangierbahnhof Maschen gabelt sich die Seeve. Links zweigt der Seevekanal ab und ist mit einem Schützenwehr versperrt. Rechts geht es auf der Seeve dank eines Überfallwehres auch nicht weiter. Das Aussetzen und anschließende Umtragen durch hohes Gras gestaltet sich schwierig. Brennnesseln tun ein Übriges dazu.
Auf der Wiese vor dem Einstieg ins Unterwasser ist aber erst einmal Mittagsrast angesagt. Bei herrlichem Sonnenschein und 21 Grad genießen wir unsere Pause.
Ein Angler, dem wir zuvor seinen Angelhaken aus dem gegenüberliegenden Ufer befreit hatten, kommt mit seinem Hund vorbei. Da er in der Vergangenheit ebenfalls paddelte, machte er uns auf eine kleine „Wildwasserstrecke“ auf dem letzten Stück unserer Tour aufmerksam.
Nun folgte der spektakulärste Teil unserer Seevebefahrung. Zum Angewöhnen durchfuhren wir zuerst einen 150 langen Tunnel unter den ersten Gleisen des Rangierbahnhofs. Kaum wieder am Tageslicht folgte der 450 Meter lange Tunnel unter Europas größtem Verschiebebahnhof. Ganz klein war die Öffnung am Ende zu sehen. Jens, Petra und Michael fuhren ein Stück vor uns und ihre Silhouetten zeichneten sich im Tunneldunkel vor dem Lichtschein am Ausgang ab.
Die unmittelbare Sicht im Tunnel war sehr eingeschränkt. Nur schemenhaft nahmen wir die Baumleichen, die am rechten Uferrand lagen, wahr. Ein Fußweg führte rechtsufrig entlang, von dem
in größeren Abständen Aufgänge zu den Gleisen abzweigten. Etwas Licht schimmerte hier durch die angebrachten Stahltüren.
Wieder am Tageslicht, entfernten wir uns mit jedem Paddelschlag von der Bahnanlage und nach wenigen Kurven hatte uns die Natur bereits wieder. Nichts deutete mehr auf die hinter uns liegende Gleisanlage hin.
Sogleich folgte hinter einer Brücke die versprochene „Wildwasserstrecke“: eine etwa 100 Meter lange Schwallstrecke. Auch diese Herausforderung nahmen wir mit Leichtigkeit und schon nach der nächsten Flussbiegung sahen wir vor uns das Seevesiel. Bemerkt hatten wir es bereits, da die Boote sich nun im flachen Wasser festsaugten.
Die am linken Ufer installierte Treppenanlage mit Kajakrutsche erwies sich als wenig praxistauglich. Unsere Kajaks rutschten immer wieder zwischen die beiden parallelen Holzbalken. Für Canadier wäre diese Konstruktion wohl besser geeignet. Doch diese dürfen auf dem Unterlauf ab Horst nicht fahren.
Nachdem die Boote verladen waren, mussten wir natürlich einen Blick über den Deich in die Elbe werfen. Sabine, Jens und ich stellten fest, dass wir damit zum zweiten Mal in diesem Jahr bereits an einem Elbdeich standen. Das erste Mal guckten wir im April bei Otterndorf auf die Elbe, nachdem wir anlässlich der Sietländer Frühlingsfahrt auf der Medem dorthin gepaddelt waren. Doch das ist eine andere Geschichte.
Jens musste sich sofort auf den Heimweg machen, während Petra, Sabine, Michael und ich noch unser Auto in Jesteburg abholen mussten. Auf dem Weg dorthin wurden in einem wundervollen Gartenkaffee die abgepaddelten Kalorien mittels Apfeltorte schnell wieder aufgefüllt. So gestärkt konnten wir die Rückfahrt antreten.
Auch wenn der Oberlauf der Seeve und auch ihr sehr schöner Nebenfluss, die Döhler Aue, schon seit Langem aus Naturschutzgründen gesperrt sind, so lohnen sich die verbleibenden 19 km doch immer noch für eine sehr sportliche Paddeltou