Frost in Bremen! - Ab zur sonnigen Ardèche ?!
Anreise
Zur Vorbereitung und zum Packen hole ich meinen mittlerweile heißgeliebten Wohnwagen "Eriba" aus dem Winterschlaf und parke ihn vor dem Haus. Neugierige Nachbarn müssen aufgeklärt werden, dass wir trotz der Kälte schon fast Ende März haben und eine Fahrt nach Südfrankreich bevorsteht. Aha! Von Reinhard hole ich noch unser Wildwasser-Vereinsboot, den guten alten "Taifun", ab und so geht es los. Aber die Abfahrt plane ich erst gegen Ende der ersten Ferienwoche, da die norddeutschen Ferientermine nicht die Saisoneröffnung der Campingplätze in Südfrankreich vorgeben.
In diesem Jahr fahre ich ohne Philipp, der an seiner Jahresarbeit sitzt ( Bau eines WW-Bootes mit umfassendem Bericht und Präsentation nach den Osterferien ) und (natürlich) unter Verzug ist. Dafür ist die Familie Schwarze schon vorgefahren. Treffpunkt: Campingplatz La Chapuliere in Ruoms an der
Ardeche.
Ich betrachte jede Reise als Gedenkfahrt an Johann und Patrick, die diese Ardeche-Fahrt vor ca 15 Jahren initiierten. Auch Maria wäre wohl gern dabei gewesen.
Die Fahrt nach Frankreich verläuft insgesamt recht zügig (1250 km, ca. 14 Stunden Fahrt), aber bis Luxemburg bei außergewöhnlich winterlichem Ambiente. Die Campingplatzbetreiber Gerard und Joanne erlauben mir schon einen Tag vor der samstäglichen Saisoneröffnung Wohnwagen und Vorzelt im unteren Teil an der Ardeche aufzustellen; für 24 Stunden bin ich allein auf dem Platz! Der Wasserstand ist - im Vergleich zum letzten Jahr - sehr gut, auch die ersten Tage sind sonnig, ca. 17 °C; einem angenehmen Aufenthalt steht nichts im Wege!Am Samstag trudeln Gabi und ihre Kinder und auch andere Bekannte aus den Vorjahren ein. Es kann losgehen, endlich!
Auf der Ligne
Schnell herrscht Einigkeit - zuerst die Flüsse, die selten Wasser führen, sich aber jetzt anbieten. Wir entscheiden uns für die Ligne, die oberhalb von Ruoms in die Ardeche mündet. Jörg, ein erfahrener WW-Fahrer aus dem Sauerland, fährt voran. Gleich nach 500 Metern muss ein 2 m hohes Wehr umtragen werden, aber dann geht es zügig abwärts. Flotte Partien, leicht verblockte Stellen; auf der Hälfte der Strecke ein teilverfallenes Wehr, welches bei einem Mauerdurchbruch gut befahrbar ist. So geht es ca 1,5 m in die Wassergischt hinab, für alle Mitfahrenden eher Spaß als ein Problem.
In 1,5 h haben wir nach ungefähr 13km die Ardeche erreicht. Die Strömung auf dem ersten Kilometer ist noch gut, bevor das Wehr in Ruoms unsere Fahrt deutlich verlangsamt. Die Bootsgasse ist fast überspült, die Einfahrt auch. Jörg fährt und testet, alles klar! Ich fahre als zweiter. Am Ende der Gasse muss ich darauf achten, mein Boot gerade in die Ausfahrt zu lenken, um nicht nach rechts in die Felsen gedrückt zu werden. Es klappt, wie auch bei den Anderen. Nass werden wir aber alle. Nach einer kurzen Pause im Boot geht es weiter zum Campingplatz. Die sonst bei Niedrigwasser materialfordernden Felsplatten sind gut überspült, ebenso wie ein zerfallenes Mühlenwehr. Hier gilt es allerdings nicht zu kentern! Der Stromzug bricht sich an den Steinen, eine ca 50m lange Strecke ist mit vielen, bis zu 1,5m hohen Wellen gespickt, also paddeln, paddeln! Ab und an kann ich Brillenträger vor Wasser im Gesicht nichts mehr sehen, aber ich komme wie auch die anderen durch. Aber nein! Klaus, meinen langjährigen Mitpaddler aus Unna, hat es erwischt. Jörg und Hannes sind schnell zur Stelle und helfen, bis Klaus wieder im Boot sitzt. Auf der Reststrecke passieren wir die Einmündung der Beaume, ein sagenhaft guter Wasserstand.
Ibie
Am nächsten Tag geht es auf die Ibie. Sie lag in den letzten Jahren absolut trocken, aber jetzt ist sie gut durchspült. An meine letzte Fahrt auf dem Fluss kann ich mich kaum erinnern; Anfang der 80er Jahre mit dem LKV Bremen unter der bewährten Leitung von Werner und Brigitte Born machte ich dort meine ersten Wildwassererfahrungen.
Wir setzen beim Wehr in der Nähe von La Gorce ein und gleich geht es gut zur Sache. Auch hier gibt es viele, aber gut umfahrbare Flussfelsen und Einengungen, überraschend viel Sträucher, die mitten im Fluss wiederholt die Entscheidung erschweren, wo es am besten wäre weiterzufahren. Irgendwie klappt es meistens doch, einmal müssen wir raus - Sackgasse! Über Geröll, durch Sträucher suchen wir auf der anderen Flussseite einen Einstieg. So geht es weiter, mal schöne, fordernde Passagen, mal wucherndes Gebüsch. Im letzten Drittel gibt es ein starkes Gefällte, Verblockungen, buschige Ufer, die durch frühzeitiges Beidrehen gemieden werden müssen, um nicht zu kentern. Zwischendurch taucht eine sehr niedrige Brücke auf. Wegen der geringen Strömung zeige ich Klaus, wie wir im Norden durch Festhalten am Tragegriff des Bootes unseres Partners und seitliches Hinüberlehnen auch recht flache Durchfahrten ohne auszusteigen meistern.
Es klappt gut! An der letzten Brücke erwartet uns noch einmal eine unübersichtliche, mehrfach verblockte Stelle mit einer dicken Walze, die aber alle erfolgreich absolvieren. An der Einmündung zeigt sich uns eine wilde Wasserdurchmischung, die Ardeche scheint wie von einem Mixer aufgewühlt zu sein. Während wir bei der ersten Ibie-Befahrung bei dem Campingplatz L'Ile aussetzen, fahren wir bei einer weiteren zweiten L'Ibie-Befahrung bis zur Pont d'Arc weiter. Der hohe Wasserstand weitet die Ardeche auf ca 100m Breite. Die mit Vorsicht zu genießende Felsgruppe "Charlemagne" ist gut überspült; beim Durchfahren hat man nicht den Eindruck, hier schon mehrere Male mit deutlich höherem Pulsschlag die Strecke bewältigt zu haben.
Kultur u.a.
Das Wetter in Ruoms gestaltet sich zunehmend kühler und regnerischer. Trockene Tagesabschnitte nutzen wir nicht nur zum Paddeln, sondern auch zum Wandern im mit schroffen Felsen übersäten Boi de Paiolive, dem Quelltopf "Fons Vivre", dem Besuch der riesigen Tropfsteinhöhle "Aven d'Orgnac" oder der örtlichen Wochenmärkte in Les Ales, Vallon Pont d'Arc und anderenOrten oder dem riesigen Trödelmarkt in Barjac. Insgesamt unternehmen wir aber deutlich weniger als in früheren Jahren, weil der Wasserstand zu verlockend ist.
Beaume
Unser Hauptinteresse gehört schließlich dem Paddeln! Die Beaume hat einen guten Wasserstand, wir setzen etwas höher ein. Am geplanten Einsatzort sind wir uns nicht einig, ob die Schwälle und Walzen zu Beginn befahren werden sollen. Die Kids und ich setzen wie geplant ein, die anderen drei ca 300m weiter unterhalb ( "Ich möchte nicht ja schon zu Beginn im nassen Neo sitzen"). Die Durchfahrt ist raff, aber klappt ohne Probleme. Ein gutes Gefühl mit über 60 Jahren noch so schöne Passagen angstfrei befahren zu können! Die restliche Strecke wird gemütlich und mit Genuss gefahren. An einigen Stellen müssen wir aus der Strömung, um nicht unter die Felsen gedrückt zu werden. In dem schön an den Flussfelsen geschmiegten Ort "Labeaume" machen wir auf der Kiesbank Pause, Gabi findet hier eine Frau von unserem Campingplatz, der sie ein überlanges, schön geformtes Stück Holz übergibt, mit der Bitte, ihr dieses an ihrem Mobile Home hinzulegen. Klaus trifft einen Bekannten, die Welt ist klein und freundlich im Umgang!
Die weitere Fahrt ist voller Genuss, durch felsige Schluchten, ab und an sieht man oberhalb schöne und schön gelegene Ferienhäuser, die Bussarde kreisen über uns, bis das Felsenrevier verflacht und der Fluss in die offene Landschaft strömt. Die in den letzten Jahren materialfordernden Rutschpartien sind jetzt bestens überspült, so dass wir in flotter Abfahrt die Einmündung in die Ardeche erreichen und ca 5 Minuten später bei sonnigen 18°C den Campingplatz erreiche. So macht Paddeln einfach Spaß!
Auch in den folgenden Tagen wird viel gepaddelt. Der Chassesac hat guten Wasserstand und fließt durch viel unberührte Wald- und Felslandschaft. Die Winterhochwasser haben viel Bäume in den Fluss gerissen und die Strömung in neue Rinnen geführt. Wie überall in den letzten Tagen sehen wir auch hier viele abgeknabberten Äste und Baumstämme, der Biber hat gute Arbeit geleistet. Die bekannte Stelle, das unübersichtliche "Labyrinth", ist deutlich einfacher zu fahren. Die engen Passagen sind bestens geflutet, so dass man beim Befahren zwar aufpassen muss, aber nicht zu vergleichen mit früheren Jahren, als man fast eingezwängt wurde.
Ardeche von unten und oben
Das landschaftlich reizvolle Stück von Balazuc über Pradons zum Campingplatz mit vielen canyonartigen Schluchten ist eine weitere interessante Paddeltour. Die Ardeche zeigt sich von ihrer schönen Seite.
Als wir hören, dass das Wetter am Mittwoch gut sein soll, beschließen wir endlich die Schlucht von der Pont d'Arc bis St. Martin zu paddeln. Am nächsten Morgen bestätigt sich die Prognose: sonniges Wetter, kaum Wind und bester Wasserstand. Wir kommen flott voran. Die gefürchteten Rapids sind so gut geflutet, dass der "Schwarze Zahn" oder das sogenannte "Hackmesser" mit viel Genuss passiert werden können. Nach einer kurzen Rast unterhalb der "Kathedrale" erreichen wir nach drei Stunden angenehmer Fahrt unseren Zielort. So zügig hat noch keiner von uns die Schlucht befahren. Gabi ist noch nicht zum Abholen eingetroffen, wir waren wohl zu schnell. Nach 20 Minuten Wartezeit werden die Boote auf den Ford-Transit verpackt und die Rückfahrt auf der Straße oberhalb der Schlucht bietet uns noch viele Aus-, Ein- und Überblicke. Im Fluss guckten wir oft staunend nach oben, jetzt gucken begeistert in die Schlucht und unsere Gedanken gehen zurück an die vielen schönen Erlebnisse im Felsenlabyrinth der Ardeche.
©Konrad Niederwestberg im April 2013