Bericht über die 6. Boot & Bahn im Juni 2007 (Wochenendfaltbootfahrt mit Gepäck)
Fand diesmal auf der unteren Wümme und der Lesum statt. Start war in Ottersberg, das Ziel war Vegesack, Streckenlänge rund 50 km.
Unser Verein heißt Faltbootwanderer Bremen. Nicht nur wegen des schönen Namens, sondern vor allem wegen des umfangreichen Fahrtenprogramms bin ich zu dem Verein gestoßen. Die Faltbootwanderer haben kein Bootshaus, sondern treffen sich am Wasser oder zur Jahreshauptversammlung.
Klaus ist ein langjähriges Mitglied und hat bereits mit Faltboot, Zelt, Familie und Bahn Europa von Schweden bis Portugal erkundet. Wir mögen beide die Plünnenkreuzer und sind gerne mit ihnen unterwegs, vorzugsweise bei Sonnenschein. Um zu zeigen, dass der Vereinsname nicht nur historisch zu verstehen ist und um zu beweisen, dass der Kanusport auch ohne Auto betrieben werden kann, beschlossen wir, eine entsprechende Fahrt auszuschreiben, nicht nur für den Verein, nein, gleich ins DKV-Sportprogramm für die gesamte Paddelnation. Einzige Bedingungen für die Teilnahme: Das Sportgerät ist ein Faltboot und die Anreise erfolgt mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
Inzwischen haben wir die 6. Fahrt ausgeschrieben und nur einmal ist die Teilnehmerzahl in den zweistelligen Bereich geklettert. Wahrscheinlich handelt es sich daher bei der Boot&Bahn um die exklusivste ausgeschriebene Kanusportveranstaltung in ganz Deutschland, ja wenn nicht in der ganzen Welt! Entsprechend folgt hier der exklusive Erlebnisbericht unserer Faltbootfahrt im Juni 2007.
Da die Tour in das DKV-Sportprogramm aufgenommen werden soll, müssen die Einzelheiten bereits im Oktober (Redaktionsschluß) des Vorjahres feststehen. Ursprünglich als Tagestour angelegt, hat sich die Boot&Bahn schnell zu einer Wochenendtour mit Übernachtung entwickelt, dieses Jahr sollte es bereits am Freitag Nachmittag losgehen. Absicht ist, die Boot&Bahn entspannter zu gestalten (An- und Abreise an einem Tag mit Auf- und Abbau der Boote kann ganz schön stressig sein). Andererseits führt die Übernachtung (natürlich im eigenen Zelt) zu einem beträchtlichen Anschwellen des Reisegepäcks. Als gemütliche Tour hatten wir uns daher die Wümme ab Ottersberg über die Lesum bis zur alten Walfängerstadt Vegesack vorgenommen. Einen Tidenkalender fürs nächste Jahr gab es noch nicht, was soll´s, passt schon und den Bahnhof in Ottersberg hatten wir uns im Vorfeld auch nicht so genau angesehen, was soll´s, passt schon. Einzig die Befahrungsregelungen für die Wümme hatten wir beachtet und auch im Vorfeld geprüft, dass der für eine Befahrung notwendige Mindestpegel erreicht wird. Soweit alles im grünen Bereich.
Als Teilnehmer hatten sich neben dem Veranstalter und seinem 6-jährigen Sohn (vertrauend auf den betagten, allerdings noch in der Faltbootwerft Albrecht in Senzig bei Berlin 1992 restaurierten Pouch Reisezweier 85) noch eine Kanutin mit einem 1er Klepper Aerius-Expedition, ein weiterer Vater mit seinem 4-jährigen Sohn (2er Aerius-Expedition mit Segeleinrichtung) und ein Paddler mit einem zum Einer umgebauten Kolibri („habe ich geschenkt bekommen, hat ein Freund auf dem Sperrmüll gefunden“). Leider hat der Kolibri keine Spritzdecke, aber dazu kommen wir später. Der Mitorganisator der Boot&Bahn (fährt einen Klepper T9) konnte leider aufgrund einer Verkettung widriger Umstände nicht teilnehmen (verspätete Anreise aufgrund plötzlicher gesellschaftspolitischer Verpflichtungen im Bildungsbereich, Verwechslung von essentiellen Bootsteilen des Vorderstevens die einen Aufbau unmöglich machten – zu viele Boote des gleichen Typs unsortiert in einer Garage gelagert - und plötzliche sintflutartige Regenfälle, aber dazu später) und diesmal leider auch keine internationale Beteiligung, weil Rafe (Großbritannien) mit Freunden auf einem Dreimaster durch die Ostsee kreuzte.
Die sportliche Betätigung beim Faltbootsport beginnt ja im allgemeinen, wie ich hier eigentlich nicht weiter auszuführen brauche, mit der Anreise durch Verkehrsmittel des öffentlichen Personennah- bzw. Fernverkehrs. In unserem Fall sollte uns ein Überlandbus von Verden nach Ottersberg bringen (ohne Umsteigen!). Das beauftragte Verkehrsunternehmen konnte sich unter dem Begriff „Faltboot“ erwartungsgemäß nichts vorstellen. „Viel Gepäck“ wurde verstanden. Leider sind die Busse dieser Linie mit Erdgastanks ausgestattet, die in dem unteren Kofferraum montiert wurden, so dass dort kein Platz für weiteres Gepäck ist. Außerdem handelt es sich hier hauptsächlich um eine Linie für die Schülerbeförderung, die erfahrungsgemäß gerade am Freitag überaus gut besetzt ist. Falls überhaupt sollte man den Bus Abfahrt 13.00 Uhr wählen, in dem die Lage etwas entspannter ist als in dem Bus um 13.30 Uhr. 12.30 Uhr aufgeregter Abmarsch Richtung Busbahnhof, der Kleine ängstlich:
„Hoffentlich nimmt der uns auch mit!“. Der Große „Mmm, passt schon.“
Und tatsächlich: ein überaus freundlicher Busfahrer stoppt sein Fahrzeug bereits kurz vor der Bushaltestelle, hält die Schüler auf Distanz, hilft uns ohne Murren beim Verladen der einzelnen Packstücke auf eine Stellfläche, die normalerweise wohl für den Transport von Kinderwagen u.ä. reserviert ist und sich praktischerweise direkt gegenüber der hinteren Bustür befindet. Erst dann wird die Haltestelle etwas verspätet aber korrekt angefahren und wir dürfen als erste Zahlen – na wenn das kein Service ist, denn tatsächlich übersteigt die Menge der Schüler die der Sitzplätze erheblich und auf dem Ausweichplatz steht unser Bootskrempel und auf der Bank dahinter sitzen zufrieden die Faltbootfahrer, den Fahrtwind der direkt über ihnen geöffneten Dachluke angenehm im Haar spürend.
Pünktlich kurz vor 14.00 Uhr kommen wir in Ottersberg Bhf.- Süd an, treffen wollten wir uns auf der Nordseite. Kein Problem, ein Fußgänger- und Fahrradtunnel ermöglicht uns bequem das Erreichen der anderen Bahnseite. Nicht so allerdings für die übrigen Teilnehmer der Boot&Bahn, die mit dem Regionalzug aus Richtung Bremen anreisen. Ihr Bahnsteig befindet sich einer Insel gleich inmitten von Gleisanlagen. Die einzige Möglichkeit das rettende Ufer bzw. den Ausgang zu erreichen führt über eine steile Brücke, welche die Schienen überspannt. Also Bootswagen tlw. abbauen und die einzelne Gepäckstücke herübertragen und neu verzurren. Dann den doch kürzer eingeschätzten Fußweg vom Bahnhof zur Einsetzstelle hinter sich bringen und die Boote aufbauen sowie das Gepäck verstauen und sich selbst wasserdicht verpacken, der Himmel sieht nicht gut aus.
Endlich sind gegen 17.00 Uhr alle auf dem Wasser, der Flussabschnitt ist schön, Entspannung stellt sich ein. Während ansonsten auf dem Wümme Nordarm viele Wehre zu Sohlgleiten umgebaut worden sind und es entsprechend Spaß macht, durch die Schwälle zu fahren, taucht bereits nach 3 Flußkilometern das letzte verbliebene Wiesenwehr auf. Da nicht übermäßig viel Wasser über die Kante läuft und sich noch ein unübersichtlicher Schwallbereich mit Hindernisses anschließt, werden die Boote unbemannt über die Wehrkrone gestoßen, unten aufgefangen und mittels der Bootsleine sicher ins Unterwasser geleitet. Natürlich dauert es etwas bis alle wieder in den Booten sitzen, der Himmel ist für diese Tageszeit eindeutig zu dunkel. Demzufolge erwartungsgemäß setzt Regen ein, allerdings mit einer Heftigkeit, wie ich es auf dem Wasser noch nicht erlebt habe. Die Brille ist mittlerweile von außen und innen so mit Wassertropfen benetzt, dass ich nichts genaues mehr erkennen kann. Nur dieses Geräusch und warum fahren die anderen nicht weiter? Da höre ich auch das Wasserrauschen, sehen tue ich immer noch nichts. Es ist doch hoffentlich nur ein ausgedehnter Schwall? Also ab durch die Mitte, immer dahin wo es am meisten rauscht, und tatsächlich, alle kommen sicher durch.
Das Gewitter mit Blitz und Donner zieht glücklicherweise in einiger Entfernung an uns vorbei, so dass wir nicht anlanden müssen. Trotzdem ist an eine Weiterfahrt nicht zu denken, im Schutz einer alten Weide machen wir am Ufer fest und warten den Gewitterregen ab. Die Wiesen dampfen und wir sind nass, klitschnass. V.a. die Kleinen, die noch nicht in die Spritzdecken passen. Die restlichen Kilometer ziehen sich, einige Sohlgleiten und 2 Flaschenposten sorgen für Abwechslung, gegen 20.00 Uhr erreichen wir unseren Zeltplatz „Am Hexenberg“. Ein schöner ruhiger Platz fast schon im Naturschutzgebiet. Durch die NSG Ausweisung ist die Anzahl der übernachtenden Kanuten hier deutlich gesunken. Spätestens ab diesem Punkt greift eine Befahrungsregelung, in der u.a. geregelt ist, dass ein bestimmter Pegelstand erreicht sein muss. Nach meiner Erinnerung soll der Pegel 270 betragen, wir lesen 275 ab, liegen also im grünen Bereich. Ist bei normalen Wetter mit entsprechenden Wasserständen eine Durchfahrt überhaupt noch möglich?
Die Kinder trockenrubbeln und in warme Klamotten stecken, Zelt aufbauen (lieber nicht unter den brüchigen Ästen der alten Pappel), Suppe kochen, noch ein Feierabendbier, aber die richtige Nachtruhe will sich nicht einstellen. So ein Shitwetter und es trommelt die ganze Nacht auf das Zeltdach. Wie wird das morgen früh, wir müssen zeitig los, sonst geht es gegen die Tide. Überraschenderweise ist es am Morgen trocken, der Himmel hat sich verausgabt. Teekochen, Klamotten packen um 9:30 Uhr sind wir wieder auf dem Wasser. Sehr gute Zeit. Die Sonne luckt ein bisschen hervor, ist ja herrlich. Naturschutzgebiet. Schön dicht bewachsen.
Hin und Her windet sich der Fluss in engen Kurven und die Strömung ist auch nicht ohne. Gar nicht so einfach, die langen 2er zu manövrieren, aber auf einmal geht gar nichts mehr. Dicht, der Fluss ist dicht, einfach dichtgewachsen. Eine umgestürzte Weide wächst mit ihrer Krone mitten im Fluss, da ist kein Durchkommen. Sind wir denn die ersten hier? Natürlich die Klappsäge, sonst immer dabei, heute fehlt sie. Allerdings haben wir einen starken jungen Mann im Expeditions-Kolibri dabei. Obwohl der starke Mann mit seinem Boot teilweise eine sehr bedenkliche Kränkung aufweist, schafft er es immerhin so viele Äste abzubrechen, dass eine forsche Durchfahrt des RZ 85 möglich wird.
Sofort danach scharf rechts halten, um sich nicht im nächsten Gestrüpp fest zu fahren. Ein sehr schöner Flussabschnitt folgt, der aber auch kanusportliche Fähigkeiten erfordert. Allmählich lichtet sich der Wald, es gibt Abzweigungen, aber immer rechts halten. Als dann von links der Wümme-Südarm einmündet, sind wir doch froh, das NSG hinter uns zu haben.
Der Rest ist dann eigentlich nur noch Bummeln (mit dem ablaufenden Wasser) bis zum Gasthaus in Höftdeich, wo wir ausnahmsweise mit freundlicher Genehmigung des Wirts unsere Zelte hinter einem Schuppen am Fluss aufbauen dürfen. Sonnenschein und Regenschauer wechseln sich weiter im Minutentakt ab, gegen Abend sogar mit Gewitterböen. Statt nur zum Kaffee bleiben wir bis zum Abendbrot im Gasthaus und sind froh über das feste Dach.
Auch am nächsten Morgen heißt es wieder „Eile, eile, eile!“. Die Putzfrau der Kneipe ist so nett uns trotz der frühen Stunde die Benutzung der Sanitäranlagen zu gestatten, so dass wir sogar bald nach Sonnenaufgang einigermaßen erfrischt in den Booten sitzen. Aber mit Kindern zieht sich das und die anderen warten schon. Daher erhöht der Fahrtenleiter die Schlagzahl (die Tide, die Tide) und die anderen fangen an zu Stöhnen. Mittlerweile ist die Wümme mit der Hamme stromtechnisch vereinigt und bildet nun die Lesum. Die Kräfte lassen nach, das Wetter scheint sich zu halten, der Fahrtenleiter hat die Streckenlänge wohl überschätzt, jedenfalls 5 Flusskilometer vor dem Ziel steuern wir das Gelände von TURA Bremen für ein Päuschen an. Einen schönen Steg haben die. Und die Lesum hat ganz gut Strömung. Warum gegen die Strömung anlegen, ich bin ja schnell rausgehüpft, denkt sich der starker junge Mann und verlagert sein Gewicht auf den Steg. Der ist aber ganz schön rutschig, und hoppla heh:
Mann über Bord und Boot auf und davon. Die anderen Helden kümmern sich ums Material, der junge Held steigt an Land und sieht ziemlich bedröppelt aus, das waren wohl seine letzten trockenen Klamotten.
An Land ist auch schon jemand wach und baut seinen Kette-Einer auf. Kette-Einer? Aus diesem kleinen Paket? Ein wunderschön eleganter Einer, mit einem fantastischen Holzgerüst. „Mal durch Zufall bekommen, ein Sattler hat mir eine neue Haut geschneidert, damit fahre ich nun schon 20 Jahre, ein anderes Boot gibt es für mich nicht.“ Na, Glück muss man haben. Die letzten paar Meter laufen von selbst, oben am Hang die teuren Kaufmannsvillen und der schöne Knoops Park, vorbei am Schulschiff Deutschland, legen wir im historischen Hafen von Vegesack gegen 12:00 Uhr Mittags an. Prima, Wetter ist auch besser, gleich mal ein paar Sachen zum Trocknen ausbreiten, als plötzlich wieder ein kleiner aber heftiger Schauer niedergeht, ach ja. Nachdem alles (nass) zusammengelegt ist, gibt es einmal Spaghetti für alle im Ristorante, dann zum Zug (der Bahnhof ist nicht weit, was haben Sie denn da und dafür soll eine Fahrradkarte ausreichen usw. usf.?) und ohne Umsteigen (!) nach Hause.
Es war wieder mal eine herrliche Faltbootfahrt mit tollem Wetter und tollen Abenteuern, etwasanstrengend, aber erlebnisreich. Natürlich, nach so einem Paddelwochenende ist man ganz schön erschöpft, die Klamotten pitschnass, das Material hat gelitten, aber andererseits hat es viel Spaß gemacht und wir haben es geschafft, trotz der widrigen Umständen.
© Stephan Brozek